Die Kipper sitzen in der kleinen Baracke, die ein Kanonenofen, Marke Eigenbau, einigermaßen durchwärmt. Nachtschicht von um Zehn bis um Sechs, sieben Tage die Woche, rollende Schicht. Alle Viertelstunden rollt ein Lorenzug ein. Träge erhebt sich die Mannschaft, streift Wattejacken und Handschuhe über und zieht die Mützen fest über
Die Kipper sitzen in der kleinen Baracke, die ein Kanonenofen, Marke Eigenbau, einigermaßen durchwärmt. Nachtschicht von um Zehn bis um Sechs, sieben Tage die Woche, rollende Schicht. Alle Viertelstunden rollt ein Lorenzug ein. Träge erhebt sich die Mannschaft, streift Wattejacken und Handschuhe über und zieht die Mützen fest über die Ohren, um in der klirrenden Kälte die vereisten Loren mit Brechstangen auszulösen. Wenn die Kraftwerksasche zu naß ist, keuchen vier Mann an einer Stange und heben sich fast einen Bruch. Die leichteren bewältigt einer mit einer Hand. Außer uns beiden haben alle die Kipperprüfung abgelegt. Dazu muß der Prüfling einen vierhundert Meter langen Aschezug ganz allein abkippen. Prüfung bestanden. Fast möchte ich fragen, ob je einer durch die Prüfung gefallen ist. Verbrenne mir lieber nicht das Maul. Bis auf uns und den Brigadier haben fast alle Arbeitsplatzbindung. Hier gilt Devise: erst mal Schnauze fassen, wenns wieder pfeift. Die nächste Lok keucht heran, die Hälfte der Loren bleibt oben, wie immer. Bernhard stellt sich uns am ersten Tag in der neuen Schicht vor: „Ich komme aus Dipps und ich hatte als Kind mal Phimose.“ Niemand bemerkt das Groteske der Situation. Apathisches Schweigen. Harald ist ein notorischer Trinker. Nach der Schicht beobachten wir ihn einmal wie er vor dem Werksgelände in eine Telefonzelle schleicht, eine Flasche Korn aufschraubt und auf Ex leert. Ein Rest Schamgefühl bleibt, nur daß die Telefonzelle keine Privatsphäre bietet. Wählen Sie 07! Ein Notruf, den keiner hört. Auch sonst trinken alle, nur nicht während der Schicht. Was aber wenig nützt, wenn man sternhagelvoll zur Arbeit trudelt und dann versucht, die volle Aschengrube zu überqueren, wie Pepe, acht Wochen vor unserer ersten Schicht. Die Grube ist dreizehn Meter tief, die Asche wie flüssig, keine Aussicht auf Rettung. Du erstickst, bevor du unten ankommst. Dem Grubenrand kommt keiner freiwillig zu nahe, wenn wir in der Mitte der Schicht die veraschten Geleise ausschaufeln, zwischen Zug und Zug.
In der Baracke will kein Gespräch aufkommen, jeder hängt seinen Gedanken nach und versucht ein wenig zu dösen, den Kopf auf der Tischplatte oder an die Barackenwand gelehnt. Nur der Ruf des Brigadiers gegen Zwei belebt den verräucherten und verqualmten Raum: „Buggurschtauto kummt!“ Wir tappen in die Nacht und scharen uns um den Kantinenwagen, der heißes Essen und Getränke an die einzelnen Arbeitsplätze im Tagebau liefert. Unumstritten der Höhepunkt einer jeden Schicht. Am Morgen setzen PKT und ich, auf dem Panzer und hier ein Gespann, uns in eine Ecke zwischen aufgetürmten Eisenunrat und schnippen den Kronkorken von einer Flasche Kumpeltod, mit dem uns die Kollegen versorgen, sie haben besseres. Vom zerstückelten Rhythmus der Nacht sind wir gerädert und verschaffen uns so die nötige Müdigkeit, bevor wir mit unseren Kameraden auf die Pritsche des Lastwagens klettern, alle etwas taumelig. Keiner redet ein überflüssiges Wort.