»Na, Frau Doktor, wie geht’s uns denn heute?« Wie’s geht? Wie geht was? Was geht ab, Mann? Nichts geht. Mir geht’s nicht. Mit mir geht’s. Sie meint es ja gut, wie geht’s uns, fragt sie, aber ich weiß nicht wie es ihr geht und mir geht’s so lala also nicht gut, garnicht gut. Ja, wenn ich hinauskönnte, mit dem Rad durch die Felder und der Fahrtwind bläst mir entgegen und ich lache und drehe mich um und du fährst hinter mir und Abend ist es, die Sonne färbt den Himmel rot, aber nein, abends bläst doch kein Wind. Wenn der Weg nur noch so kurz ist und jeder Schritt wird zuviel. Ach, nie wieder Rad fahren.
Zum Beispiel schwebe ich gerade über dem Park. Leicht bin ich wie ein Seidentuch im Wind. Unter mir der Fluss, die Brücke mit den Enten, die warten, auf Frauen mit kleinen Kindern auf dem Arm. Brotreste werfen sie ihnen zu, ungeschickt und ernsthaft. Das Grün der Wiese, gelb und weiß und violett getupft von Krokussen. Ich freue mich, schön sieht das aus von hier oben, so bunt, meine Wiese. Meine Enten. Und meine Bank in der Sonne, die Pappeln am Fluss halten ruhig ihre Audienzen, sie tuscheln miteinander im Wind und geben acht auf Enten und Eltern. Das macht dann Achtzehndreiundfuffzich bitte.
Achtung. Da kommt was. Aus Richtung Innenstadt nähert sich eine Familie. Der Junge, etwa zehn, fährt auf seinem Kinderfahrrad vorneweg. Er beeilt sich. Schnell, Junge! Dahinter Mutter, Vater, Verwandtschaft, Freunde im Schlenderschritt des Sonntagnachmittags. Frau Doktor? Hinten, allein und weit entfernt, ein kleines Mädchen auf einem Plastekipper. So ein Ding mit einer grünen Ladefläche, gelbes Fahrerhaus. Räder schwarz. FRAU DOKTOR? Haben wir vielleicht drei Cent? Zeigen Sie doch mal! Eigentlich ist sie viel zu groß für das Gefährt, vier oder vielleicht auch fünf Jahre, das muss weh tun, Po eingezwängt, die Beine zu lang. Tut das weh? Ich weiß nicht. Dabei müsste ich das wissen.
Wie sie sich vorwärtsbewegt. Das sieht mühevoll aus. Sie hebt die Beine Es wird immer schlimmer mit ihr. Das ist das Alter. Da kann man nichts machen. Frau Doktor?, hebt die Beine, hackt die Fersen in den Boden und schiebt sich nach vorn. Nein, sie zieht sich. Beine heben. Hacken. Nach vorn ziehen. Unermüdlich. Äh, meine Dame, könnten Sie dann vielleicht mal? Andere wollen auch einkaufen! Ich schaue herab, von oben herab, und bewundere die Kleine. Wie sie kämpft. Mühsam auf dem steinigen Weg. Die Eltern, halt, wartet doch!, sie verstärkt ihre Anstrengungen, Beine heben, Hacken in den Boden, nach vorn ziehen, Beine heben, Hacken in den Boden, ziehen. Der Kies knirscht unter den Rädern. Sie steht nicht auf und läuft und lässt das Auto zurück wie eine unnütze Last. Sie weint auch nicht, damit die Eltern sie hören und sich nach ihr umwenden. Nein, stur und verbissen kämpft sie sich vorwärts. Zentimeterweise. Ruckartig. Beine vor, Hacken in den Boden, heranziehen.
Ich klatsche in die Hände. Ich klatsche einfach in die Hände und – puff – der Kipper verwandelt sich in einen Tretroller Frau Doktor, wir müssen jetzt aber wirklich einen silbern glänzenden Tretroller, kommen Sie, mit dem sie wir gehen jetzt nach Hause sich schnell bewegen kann und ohne Schmerzen. Wie flink sie ist und sie strahlt über das ganze Gesicht und schaut nach oben in den Himmel und winkt mir zu die Eltern bleiben stehen was hast du denn da sagen sie wo ist dein Kipper hast du ihn verloren? Und ich lache und winke zurück.